„Und sprich zu
den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre
Keuschheit wahren sollen und dass sie ihre Reize nicht zur Schau tragen sollen,
bis auf das, was davon sichtbar sein muss, und dass sie ihre Schleier über ihre
Busen ziehen sollen und ihre Reize vor niemandem enthüllen als vor ihren
Gatten, oder ihren Vätern, oder den Vätern ihrer Gatten, oder ihren Söhnen,
oder den Söhnen ihrer Gatten, oder ihren Brüdern, oder den Söhnen ihrer Brüder,
oder den Söhnen ihrer Schwestern, oder ihren Frauen, oder denen, die ihre
Rechte besitzt, oder solchen von ihren männlichen Dienern, die keinen
Geschlechtstrieb haben, und den Kindern, die von der Blöße der Frauen nichts
wissen. Und sie sollen ihre Füße nicht zusammenschlagen, sodass bekannt wird,
was sie von ihrem Zierrat verbergen. Und bekehret euch zu Allah insgesamt, o
ihr Gläubigen, auf dass ihr erfolgreich seiet.“ (Koran, Sure 24, Vers 32)
„O Prophet!
Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen,
sie sollen ihre verhüllenden Gewänder über sich ziehen. Das ist besser, damit
sie erkannt und nicht belästigt werden. Und Allah ist allverzeihend,
barmherzig.“ (Koran, Sure 33, Vers 60)
„Wenn ein Mann betet
und prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt er sein Haupt.
Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und
dabei ihr Haupt nicht enthüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von
einer Geschorenen. Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch
gleich die Haare abschneiden lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande,
sich die Haare abschneiden oder sich kahlscheren zu lassen, dann soll sie sich
auch verhüllen. Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen […].“ (Bibel, 1
Korinther 11, 4-7)
Schlägt
man heute die Zeitung auf oder lauscht den Kneipengesprächen am Nachbarstisch
könnte man glauben, dass das Kopftuch in den öffentlichen Diskussionen keine Rolle
mehr spielt. Vorbei sind die Zeiten, in denen öffentlich und unter einem großen
medialen Interesse das Für und Wider der vorwiegend islamisch geprägten
Kopfbedeckung diskutiert wurde. Kopftücher sind entweder im allgemeinen Leben
angekommen oder eben erfolgreich verdrängt und verboten worden. So zumindest
scheint es. Tatsache ist aber, dass nach wie vor eine große Anzahl Frauen mit
uns lebt, die aus verschiedenen Gründen ein Kopftuch tragen will und mit diesem
Wunsch oftmals an die Grenze der gesellschaftlichen Akzeptanz stößt.
Anwältinnen müssen vor Gericht ihr Kopftuch ablegen und auch Lehrerinnen ist
das Tragen ihrer Kopfbedeckung in Schulen untersagt, mit Ausnahme des Islamunterrichts.
Von den Hürden bei der Jobsuche mal ganz zu schweigen. Solche Regelungen kommen
einem Berufsverbot gleich. Doch warum gibt es solche Regelungen überhaupt?
Der
Westen erlebte das Kopftuch schon früh als Zeichen der Unterdrückung der Frau.
Heute wird darin zudem die Stärkung der fundamentalistisch-muslimischen Kreise
gesehen. Die Zuwanderungsdebatten und Anfeindungen gerade der
türkisch-stämmigen Mitmenschen zeugen von der Angst vor einer kulturellen „Übernahme“.
Aus diesem Grund ist bereits in einigen europäischen Ländern ein
Verschleierungsverbot in Kraft getreten. In Deutschland ist das nicht denkbar –
ein generelles Verbot im öffentlichen Raum verstößt gegen das Neutralitätsgebot
des Grundgesetzes. Anders wird dies bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes
gehandhabt. Im Landesgesetz können und sind Verbote für das Tragen einer
Verschleierung erlassen worden. Laut des Bundesbeamtenrechts
„[…] gibt es allerdings keine mit dem landesgesetzlichen Regelungen
vergleichbaren Verbote des Tragens religiöser Bekleidung. Das politische
Mäßigungsverbot kann grundsätzlich nicht dahingehend ausgelegt werden, dass
Beamtinnen das Tragen von Kopftüchern oder Burkas verboten werden kann“, klärte
der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits 2010 auf.
An dem allgemeinen Konsens, Kopftücher zeichnen ihre Trägerinnen
als rückständig und untergeben, kann dies jedoch kaum etwas ändern. Dabei ist
das Kopftuch für die meisten Frauen ein Akt der Befreiung oder ein Mittel zum Selbstschutz.
Eine pakistanische Bekannte begründete mir gegenüber einst das Tragen ihres
Kopftuches als Sicherheit gegen sexuelle Übergriffe und Belästigungen. Sie verhülle
ihre Haare, ihren Hals und ihre Brust, um weniger reizend auf Männer zu wirken.
Sie beschwerte sich bei mir über das fehlende Verständnis in Deutschland dazu. „Wir
werden nicht verstanden. Es interessiert auch niemanden wirklich. Wir tragen
ein Kopftuch zum Schutz. Es gibt mir Sicherheit. Ich verstehe nicht, was daran
falsch sein soll.“ Zu behaupten, dass solche sexuellen Übergriffe in
Deutschland zwar möglich sind und vorkommen, jedoch keineswegs vergleichbar mit
denen in Pakistan, Ägypten oder Iran sind, würde von der überhöhten Einschätzung
der „zivilisierten“ westlichen Kultur zeugen, die sie bereits zu Kolonialzeiten
zur Schau gestellt hat. Auch in Deutschland herrscht in vielen Köpfen noch die
Höherstellung des Mannes gegenüber der Frau vor und auch hier glauben noch zu
viele, Mann dürfe sich nehmen was gefällt. Des einen Kopftuch ist also des anderen
Pfefferspray, eingesetzt zur Wehr gegen die Fremdbestimmung des eigenen
Körpers. Also genau das Gegenteil von dem, was mit einem Kopftuch eigentlich
verbunden wird. Oder ist es doch nur integrationshemmend, wie Kritiker
behaupten?
Fakt ist: Viele
Mädchen und Frauen, die sich heute in Deutschland für das Tragen eines Kopftuches
entscheiden, sind bereits in unsere Gemeinschaft integriert. Nicht selten sind
ihre Familien bereits seit mehreren Generationen hier. Sie sind Deutsche und
leben ihr Leben frei und selbstbestimmt. Entgegen aller Vorurteile kommen sie
meist nicht aus bildungsfernen Haushalten, sondern entstammen aus einem
gebildeten, oftmals städtischem Milieu. Sie handeln weder fremdbestimmt, noch
aus Schutz, sondern gehen damit ihren eigenen Weg zwischen der islamischen
Tradition ihrer Eltern und Großeltern und ihren eigenen Ansichten. Tatsächlich
zeigen sie einen hohen Grad an Mut und Selbstbewusstsein - denn nach wie vor bringt
ein einfaches Tuch auf dem Kopf auch Probleme und Konfrontationen nicht nur im
beruflichen Umfeld mit sich. Mangelnde Deutschkenntnisse, Job als Putzfrau oder die Aberkennung des
Deutsch-Sein sind nur einige der rassistischen Erfahrungen, von denen Trägerinnen
immer wieder berichten.
Auch
in meinem Fall gab es neben Zuspruch auch heftig geführte Debatten, als ich
meinen Versuch ankündigte, einen Monat lang ein Kopftuch tragen zu wollen. Leider
nicht mit mir, sondern hinter mir. Ich kann mir vorstellen, wie diese gelagert
sind, auch wenn ich den Inhalt nicht wirklich kenne. Es ist vermutlich für
viele, die mich kennen, nur schwer oder auch gar nicht vorstellbar, warum eine
extrovertierte, kulturell sehr westlich geprägte und deren Vorzüge genießende
junge Frau wie ich es bin, sich solch eine „Bürde“ selbst auferlegt. Nun, die
Gründe dafür liegen auf der Hand. Wie kann man über etwas urteilen, dass man
selbst nicht kennt? Das bezieht sich nicht einmal primär auf das Tragen des
Kopftuchs selbst, sondern vorrangig auf die Gesellschaft, die ich gerne für
ihre Engstirnigkeit und Selbstverliebtheit verurteile. Die Debatten und
Rechtsurteile bezüglich des Tragens von religiös motivierten Kopfbedeckungen
sind mir bekannt und werden von mir scharf kritisiert. Unbekannt ist mir jedoch
das unmittelbare Empfinden der Reaktionen auf der Straße, des persönlichen
Umfelds und meiner eigenen Arbeitswelt. Was genau es heißt, ein Kopftuch in
Deutschland zu tragen, werde ich in den nächsten Wochen soweit es mir möglich
ist, herausfinden.
Ich bin gespannt, meine Liebe! Wie ein Flitzebogen! :)
AntwortenLöschenSehr mutig, was ist denn nun aus dem Experiment geworden?
AntwortenLöschenEs wird noch ein paar Erfahrungsberichte geben, ich komme nicht ganz hinterher mit dem Schreiben. Ich finde es allerdings gar nicht so mutig. Die größte Herausforderung war nicht, sich ein Kopftuch anzuziehen oder so vor andere Menschen zu treten, sondern zu erfahren, was es für einen selbst heißt; was es mit einem selbst macht, wie es mich selbst im Denken und Handeln beeinflusst. Es gibt in Kürze mehr zu den Erfahrungen - den inneren und äußeren.
AntwortenLöschenSchade das es hier nicht mehr weitergeht ...
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