Samstag, 24. August 2013

Die Weltmeisterschaft – mehr als nur ein Titel -Wie Obdachlose die WM 2010 erleben-

Es ist wieder soweit. Seit zwei Wochen fliegen uns die Bälle um die Ohren. Die WM hat sich ihren Platz in unsere Wohnzimmer, Kneipen und das öffentliche Treiben gesucht. Um unsere Aufmerksamkeit zu kämpfen braucht sie nicht. Laut einer Studie schauen in diesen Tagen 90 Prozent der Deutschen Fußball und öffnen der Weltmeisterschaft Tore und Türen. In Zeiten starker Euphorie, Jubel und Patriotismus nehmen dennoch 10 Prozent nicht an diesem gesellschaftlichen Ereignis Teil und zeigen sich gänzlich unbeeindruckt – sie verweigern Fähnchen, Lobchöre und Hupkonzerte. Doch was ist mit denen, die nicht mehr an der Gesellschaft teilnehmen?

Ich treffe mich mit Arno, einem 57-jährigen Obdachlosen und seinem Schlafplatzkollegen Dieter, 52 Jahre auf den Ringen in Köln. Die beiden wurden nicht Freunde beim freizeitlichen Fußballspielen, sondern erst auf der Straße, wo sie seit mehr als zehn Jahren leben. Auch heute sind sie zusammen unterwegs, sitzen am Rande des Bürgersteigs irgendwo in Köln und es scheint, als nähmen sie kaum Notiz von den vielen Fans, die laut ihrer Enttäuschung über die 1:0 Niederlage gegen Serbien Luft machen. Es wird geweint, gelacht, gegrölt und gegen die paar serbischen Fans, die sich zum Hupkonzert zusammengefunden haben, gepöbelt, aber auch gefeiert. Ruhe strahlen hier nur Arno und Dieter aus, wie sie da sitzen auf ihren khakifarbenen Schlafsäcken. Kein schwarz-rot-gold auf 1,5 m² – die einzigen in der gesamten Stadt, wie es scheint. „Fußball hat mich auch schon früher nicht interessiert“, erzählt Arno.
Ganz früher, als Junge, hätte er schon mal gespielt, aber das sei lange her. Danach hätte er andere Interessen entwickelt. Bald darauf fingen seine Probleme an, die ihn heute hier sitzen lassen, „da half auch kein Fußball mehr“. Dieter hingegen hat, als er noch einen Fernseher, Wohnung und ein „intaktes Leben“ hatte, oft Fußball geschaut. „HSV – das war meine Mannschaft.“ Letztendlich nutzte er die gemeinsamen Fußballabende mit Freunden mehr zum Trinken, als aus Interesse am runden Leder und auch daheim, wenn er allein war, wurde das Bier irgendwann wichtiger als das Spiel. Dennoch hätten sie heute schon gerne mehr Anteil an der WM. „Das ist immer noch mein Land, auch ich habe Stolz – das vergessen viele oder glauben es nicht.“ 
Die Chancen diesen Stolz zu zeigen sind gering. Aus Kneipen werden sie vertrieben, Geld für den Eintritt im Stadion haben sie sowieso nicht und willkommen beim Public Viewing fühlen sie sich schon gar nicht. Flaschen einsammeln am Rande, das dürfen sie noch; ein WM-Feeling wie es der Rest Deutschlands gerade erlebt, ist dies jedoch nicht. „Wir schauen schon mal auf den Anzeigetafeln der KVB die Ergebnisse nach. Aber das war’s.“ Von dort erfahren sie dann auch, welche Mannschaften überhaupt gegeneinander antreten. „Trotzdem ist es nicht so schlecht. Die Leute haben Spaß, diese Stimmung überträgt sich. Zudem sind sie so beschäftigt und lassen uns in Ruhe.“ Nur wenn Deutschland verliert, dann kriegen die zwei einige Aggressionen ab – das kennen sie schon aus vergangenen Meisterschaften. Da bleibt für die zwei nur zu hoffen, dass Deutschland Weltmeister wird …

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